Sonntag, 12. Januar 2014

Über das Outing



Hallo Leute,

dieser Tage war die Presse voll von Statements über das offene Bekenntnis eines Ex-Fußballprofis zu seiner Homosexualität. Natürlich haben sich alle sofort öffentlich zu ihrer Toleranz bekannt und dazu, wie wichtig das für die Toleranz im Allgemeinen ist. Ich habe lange gezögert, mich mit diesem Thema zu befassen, weil es ein sehr schwieriges Thema ist. Aber es verlässt mich nicht das Gefühl, dass hier wie bei allen Themen, die mit persönlichen, privaten Dingen zusammenhängen, die Diskussion nur oberflächlich geführt wird und nicht das eigentliche Problem gelöst wird.

Was hat es mit dem sogenannten Outing eigentlich auf sich? Begonnen hat alles mit Rosa von Praunheim, der sich vor vielen Jahren offen zu seiner Veranlagung bekannt und andere Personen in diesem einem Atemzug ebenfalls in der Öffentlichkeit geoutet hat. Seitdem ist immer mal wieder das Thema hochgekommen, ohne dass sich wirklich in der öffentlichen (Mehrheits)-Meinung etwas verändert hat. Wäre das anders, dann würde das Outing eines Fußballers schon längst ohne öffentliche Reaktion bleiben. Warum sage ich das? Weil es immer noch sehr viel Mut erfordert, sein Leben offen so zu führen, wie man es mag. Ich glaube unter Sportlern oder unter Intellektuellen ist es wohl eher kein Problem, aber in der Öffentlichkeit wird man immer schief angesehen werden, wenn man sich abweichend von der „Norm“ verhält. Daran schuld sind insbesondere die Medien, die ständig versuchen, Privates an die Oberfläche zu fördern, dass sich finanziell ausschlachten lässt. Aus meiner Sicht ist Homosexualität genauso normal, wie Heterosexualität, wenn auch weniger verbreitet. Gerade das macht ja den Menschen aus, dass er sich nicht, wie die meisten anderen Säugetiere, rein triebgesteuert verhält, sondern, dass er sich bewusstseinsgesteuert verhält und sein persönliches Glück sucht. Vielen Menschen wird aber von der Allgemeinheit diese persönliche Suche nach dem Glück vorenthalten. Zu einer offenen Gesellschaft gehört aber genau dieses Recht, sein persönliches Glück zu finden, zu den Grundrechten. Und wie die Gesellschaft damit umgeht, dass haben die Diskussionen in der CSU zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gezeigt. Da hilft es auch nicht auf andere, weniger tolerante Gesellschaften mit dem Finger zu zeigen, wenn es um Diskriminierung geht. Ich glaube, wenn man mal an den Stammtischen nachfragt, dann würden viele begrüßen, wenn in Deutschland gleiche Maßstäbe angelegt würden, wie in Russland.

Wie gering die wirkliche Toleranz ist, auch wenn die Intoleranz nur rein verbal zum Tragen kommt, ist mir viele Male bewusst geworden, nachdem ich mich entschlossen hatte, einen BH zu tragen. Es gibt wohl kaum ein stärker ausgeprägtes Meinungsbild zur Geschlechterrolle, als das, wie jemand auszusehen, sich zu kleiden und zu verhalten hat. Jeder, der schon mal in die Kleiderkiste des anderen Geschlechtes gegriffen hat, wird das sicherlich erlebt haben. Das beginnt mit einem mimischen Staunen und steigert sich relativ schnell in den Vorwurf, einen Fetisch auszuleben. Mag sein, dass die Öffentlichkeit da mit Frauen nachsichtiger ist, vielleicht hat sie sich auch nur daran gewöhnt. Aber es ist ein Zeichen dafür, wie wenig tolerant unsere Gesellschaft im inneren wirklich ist.

Ich kann nur hoffen, dass die nun wieder aufgekommene Diskussion über Toleranz tatsächlich den Weg in die breiten Schichten der Bevölkerung findet und jeder in sich geht, um sich zurückzunehmen, wenn es darum geht, andere nach ihren Äußerlichkeiten zu beurteilen oder gar zu verurteilen. Und ich bitte inständigst alle Eltern, ihre Kinder abseits von überkommenen Rollenbildern zu Offenheit und Toleranz zu erziehen, dass es keines Outings von prominenten Personen mehr bedarf, um anderen das Recht zuzugestehen, so zu leben, dass sie glücklich sind. Ich glaube, wir alle können dazu unseren Beitrag leisten.

Liebe Grüße

Euer BraBerliner

4 Kommentare:

  1. Hat sich mein Kommentar denn schon wieder verflüchtigt? Damit habe ich doch meine heutige Blogger-Session eingeleitet. Verflixt.

    Also, noch mal:
    Danke fürs Aufgreifen des Themas! Ich bin da völlig bei dir!
    Mir ist schleierhaft, warum ein Outing 2014 noch solche Schlagzeilen macht - auch wenn es sich um einen Ex-Fußballer handelt. (Fußball scheint nicht nur nationaler Lieblingssport sondern auch die letzte Festung der Maskulinität zu sein... ts!) Als ob das irgendeine Relevanz für einen selber hätte. Ich meine, ich bin doch auch nicht schockiert, wenn jemand keine Äpfel mag und lieber Birnen ißt. Bananen dagegen taugen schon eher für Schlagzeilen. ;-)

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    1. Ich habe da heute im Tagesspiegel einen schönen Kommentar gelesen unter Mathies meint. Der hat den Finger in der Wunde. Fußball ist nur der offizielle Limes für ein gesellschaftliches Problem, dass nie richtig gelöst worden ist. Aber wenn ich mich entsinne, wie blöd ich noch angeschaut wurde, weil ich unsere Kinder gewickelt habe, dann bin ich optimistisch. In zwanzig Jahren kräht kein Hahn mehr danach.

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  2. Also ich habe eine kleine 4 jährige Stieftochter und sie weiß das ich Frauenunterwäsche anziehe. Sie kennt es nicht anders und wird da wohl sehr tolerant werden.

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    1. Tja ich denke mal, tolerant ist die Gesellschaft erst dann, wenn man sich nicht mehr outen muss, um einer öffentlichen "Blosstellung" zu entgehen. Es ist ja schließlich private Sache, wie jeder lebt, solange er nicht andere mit einem Verhalten schädigt. Deswegen denke ich bei Deiner Tochter weniger an Toleranz, als vielmehr an unverkrampften Umgang mit Individualität.

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