English after jump
Als Mann mit Brüsten, wenn ich mich morgens im Spiegel sehe,
dann kommt hin und wieder der Gedanke, ob ich noch normal bin. Ich habe seit
vielen Jahren Brüste, ich glaube auch, dass ich gut damit klar komme, aber wie
jeder Mensch, habe ich auch den einen oder anderen Moment, in dem ich zweifle,
ob das alles so in Ordnung ist oder nicht.
Ich glaube für viele, die ständig den offenen und
versteckten Botschaften der Medien ausgesetzt sind, sind die Qualen riesig,
wenn sie ihren männlichen aber an der Brust ach so weiblichen Körper sehen. So
sehr wir Brüste an einer schönen Frau oder unserer Liebsten mögen, so sehr
erschrecken wir, wenn wir selbst Brüste haben. Viele schämen sich, gehen in
kein Schwimmbad mehr und nicht an den Strand. Einige hassen sich oder ihren
Körper. Es ist schon absurd, wenn man bedenkt, wie wenige Männer dem
Schönheitsideal entsprechen, dass man sich an Brüsten stört, die zum eigenen
Körper gehören, wie Ohren oder Nase.
Dabei ist in fast allen Fällen die vergrößerte Brust nicht
auf eine Krankheit zurückzuführen, sondern lediglich eine körperliche Eigenart,
die fast jeden Dritten im besten Alter zu eigen ist. Wir sind vom Mainstream
schon so gefangen, dass wir unsere körperlichen Besonderheiten als Belastung
empfinden. Ich glaube, das ist eine reine psychische Belastung, die wir immer
dann ertragen müssen, wenn wir ohnehin schon durch andere Dinge in unserem
Leben belastet sind. Sei es ein Misserfolg im Beruf, ein Streit mit der Frau
oder Freundin oder einfach nur ein Moment, in dem wir uns überlastet fühlen,
immer in diesen Zeiten fühlen wir uns hässlich, von anderen hämisch beobachtet
oder sogar minderwertig.
Ich habe lange Zeit, wie viele ebenfalls Betroffene
versucht, mein „Dilemma“ zu verbergen, mich zu verstecken. Ich habe auch über
eine OP nachgedacht, ich habe am Ende für mich entschieden, zu meinem Busen zu
stehen. Ich glaube, ich bin daraus psychisch gestärkt hervorgekommen. Ich habe
den Busen als einen Teil meiner Persönlichkeit akzeptiert und darüber
nachgedacht, wie ich „Alltagsprobleme“, die mir mein Busen bereitet, das
Wackeln beim Gehen und Laufen, das damit verbundene Spannen und Schmerzen und
ja, die Rücken- und Nackenschmerzen, bewältigen kann. Am Anfang habe ich einen
sehr schlichten Sport-BH getragen. Aber der hat mir nicht wirklich gefallen.
Ich habe mittlerweile fast nur noch BHs, die ich neben der Passform nach ihrem
Chic ausgewählt habe. Das hat mir auch Selbstvertrauen gegeben, weil ich eben
nicht mehr unter meinem Busen leide, sondern ihn als schön empfinde.
Ich trage ihn nicht offen zur Schau, aber wenn ich in meinem
unterm Hemd verdeckten BH durch die Stadt gehe, dann fühle ich mich wohl, auch
weil ich weiß, dass es keiner merkt, dass keiner Notiz davon nimmt und das ich
ein schickes etwas darunter habe.
Euer BraBerliner